Angus MacInnes
von Mar.go
„Denk immer daran, mein Kleiner,“ sagte der Puppenmacher, „Du bist
ein Gardeoffizier der Leibgarde Ihrer Majestät, der Königin. Auch
wenn Du im Ausland bist vertrittst Du das Britische Königreich.“
Und er zupfte liebevoll den rot und grün karierten Kilt des kleinen Bären
zurecht.
„Wieso denn im Ausland?“ fragte das Bärchen.
Es trug stolz seinen schwarzen Gardehut mit dem blauen Puschel, den
karierten Kilt mit dem passenden Schultertuch, die schwarze Uniform-
jacke mit den goldenen Tressen und die schwarzweißen Halbstiefel.
„Ganz einfach“ sagte der Puppenmacher, ich habe Dich angefertigt, damit
Du im Andenkenladen neben dem Palast den Touristen gefallen sollst.
Sie kommen aus der ganzen Welt und vielleicht nimmt Dich einer mit nach
Hause.“
„Was soll ich denn da? Ich denke ich soll die Königin bewachen?“
„Nein,“ lachte der Puppenmacher, „Du bist viel zu klein, Das machen die rich-
tigen Soldaten. Du sollst hübsch aussehen.“
„Och,“ schmollte das Bärchen,“ wofür bin ich denn dann Soldat. Ich muß doch
was bewachen!“
„Ja, Du kannst zum Beispiel bei den Leuten, die Dich mitnehmen, das Haus
bewachen.“
„Ja, ja, au ja, das mach ich dann“ freute sich der kleine Bär und klatschte
in die Hände, „wann geht’s denn los?“
„Gemach, gemach,“ sagte der Puppenmacher, „jetzt kommst Du erst mal
in die Auslage.“
Und er setzte ihn auf ein Regal, auf dem schon viele andere Bären standen,
die aufgeregt miteinander schnatterten.
„Hast Du die Frau gesehen, die eben vorbei gegangen ist. So einen ko-
mischen Hut habe ich ja noch nie gesehen.“
„Und der Kerl da mit dem Stockschirm, der ist wohl farbenblind. So
ein Hemd würde ich nie anziehen.“
Er stand nicht einmal lange genug da, um die anderen Bären kennen-
zulernen, sondern wurde plötzlich von einer Hand gepackt und durch
den Laden getragen.
Er hatte überhaupt nicht gesehen, wer ihn da vom Regal genommen hatte.
Man übergab ihn einer Frau, die ihn in eine Tüte packte, dann hörte er
die Kasse klingeln.
„Ha, dachte er stolz, „wenn mich sofort einer gekauft hat, bin ich ja wohl
der schönste von allen.“
Da lag er nun in seiner Tüte, direkt neben einer albernen Weihnachts-
kugel mit dem königlichen Wappen drauf.
Er wurde lange, lange Zeit sanft hin und her geschaukelt, solange bis
er schließlich eingeschlafen war.
Als das kleine Bärchen wieder aufwachte, stand es in einer fremden Um-
gebung auf einem Schrank.
Um ihn herum hörte er viele Stimmen, verstehen konnte er aber nichts.
„Oh gut, dachte er, ich bin im Ausland und repräsentiere hier mein
Land.“
Rechts neben sich konnte er in einiger Entfernung deutlich eine Tür er-
kennen.
„Man das wird ja immer besser,“ sagte er laut, „ die Tür werde ich jetzt
mal bewachen.“
Und er warf sich in die Brust und richtete sich zu seiner vollen Größe auf.
„Was höre ich denn da?“ kam eine Stimme von der anderen Seite,
„Ist das ein Landsmann?“
Angus sah sich um und entdeckte einen Teddy, wie er selbst einer war,
aber ganz in schwarz gekleidet mit einem Dreispitz auf dem Kopf und
einer Augenklappe.
„Darf ich mich vorstellen,“ fragte Angus höflich, ich heiße MacInnes,
Angus MacInnes, Wachmann Ihrer Majestät!“
„Sehr angenehm, sagte der andere Bär, Crake, Sir Francis Crake, Frei-
beuter Ihrer Majestät und ich komme aus Dover.
Aber am liebsten spiele ich Kegeln in Plymouth, das heißt, wenn nicht
gerade die Spanier angreifen.“
„Boah, die Spanier? Sag bloß Du hast richtig gekämpft?“
„Ja, aber das ist schon lange her, heute sind wir ja befreundet.“
„Und die anderen? Ich höre so vieles aber das meiste verstehe ich
nicht.“
„Keine Sorge, „meinte Sir Francis „das lernst Du ganz schnell. Ich kann
schon sieben Sprachen, na ja mehr oder weniger. Zum unterhalten reichts.
Hier gibt es Stofftiere aus der ganzen Welt, ein Spanier ist auch dabei,
da drüben der Stier. Paco heißt er und ist aus Jerez.
Wir sind ganz gute Kumpel. Aber manchmal geht sein Temperament mit
ihm durch. Ich weiß auch nicht, das muß irgendetwas mit meinem roten
Halstuch zu tun haben.
Stiere sind wohl so.“
„Das hört sich ja alles ganz toll an,“ sagte Angus und dachte bei sich,
„Da ist alles, wie ich es mir immer gewünscht habe; ich vertrete meine
Heimat in einer schicken Uniform, habe eine Tür zu bewachen, einen
Freund habe ich auch schon gefunden und mit den anderen werde ich
auch noch Freundschaft schließen.
Das Leben ist herrlich!“
August 2010