„Halloween“ der Pinguine

 

                            „Halloween“ der Pinguine

 

                             von  Merlin                   

                                                                                                                                                                        

 

 

Die kleine Kolonie der Pinguine auf der Fensterbank war übermütig.

 

Besonders die Kleinsten und Frechsten wußten wieder einmal nicht, was sie

als nächstes anstellen sollten.

 

Als sie eines abends vom Schlittschuhlaufen kamen, blieb der kleine Kaiser

etwas hinter ihnen zurück.

 

Nachdem sie ihm ein paar mal gewunken hatten, kam er hinter ihnen herge-

rannt.

 

„Ich habe da eben etwas gehört,“ berichtete er atemlos.

 

„Du wieder, was Du immer zu hören glaubst.“

 

„Nein, wirklich, Ihr müßt mir erst mal zuhören. Die haben da alle was erzählt

von -Hallo Wien-“

 

„Hallo Wien, was soll denn das sein,“ fragte der große Dicke. „Ich kenne nur

eine Stadt die so heißt!“

 

„Nein, das muß was anderes sein, die haben alle erzählt von verkleiden, Leute

piesacken und sammeln. Das möchte ich auch!“

 

„Wenn wir gar nicht wissen, was das ist, können wir das auch nicht, basta!“

sagte Blauauge.

 

„Aber wir können Sir Henry fragen.“

 

„Der ist doch wieder besoffen.“

„Quatsch, ein Friedensbeauftragter der UNO trinkt nicht!“

 

„Und ob, ich hab genau gesehen, wie er sich was von dem Whiskey in den

Kaffee geschüttet hat. Von wegen, ich brauche jetzt erst mal `nen Kaffee.

Und hörst Du das Geschnarche? Das sagt doch wohl alles.“

 

„Komm wir machen ihn wach und fragen ihn.“

„Spinnst Du, wenn wir den jetzt wecken ist er sauer und sagt uns gar nichts.“

 

Ungeduldig warteten sie den nächsten Morgen ab. Sie waren so aufgeregt,

daß sie um 5.00 Uhr früh schon alle munter waren und aufgeregt miteinan-

der schnatterten.

 

Endlich, endlich nach endlosem Warten und vielem Fußscharren, so gegen

8.00 Uhr erwachte auch Sir Henry.

 

Er streckte und reckte sich endlos, grunzte, kratzte sich den langen Hals

und brummte etwas von „Kaffee trinken.“

 

Zu seiner großen Überraschung hielt ihm der Babypinguin sofort einen

großen Becher Kaffee unter die Nase.

 

„Nanu, womit verdiene ich denn diese Ehre? Ihr versteckt mir doch sonst

immer die Tasse!“ Und er schlürfte einen Schluck.

 

„Das habe ich noch nie gemacht,“ warf sich der Babypinguin in die Brust.

 

„Du vielleicht nicht aber die anderen! Also was willst Du?“

 

„Ich wollte Dich was fragen,“ piepste der Kleine. „Die haben auf der

Schlittschuhbahn alle immer was von –Hallo Wien- erzählt. Weißt Du

was das ist?

 

„Halloween“ philosophierte Sir Henry sofort, ohne mitzubekommen,

daß die Ohren der anderen Pinguine immer größer wurden, „ ist ein

altes keltisches Fest aus Irland. Es markiert den Beginn der dunklen

Jahreszeit.“

 

„Aber es ist doch die ganze Zeit morgens schon so dunkel.“ warf Gelb-

schnabel ein.

 

„Ppppssssttttt.“ machten die anderen Pinguine.

 

Sir Henry ließ sich nicht stören und fuhr pathetisch fort.“ Man pflegte

damals Steckrüben auszuhöhlen, Fratzen hineinzuschneiden und stellte

eine Kerze hinein.

Damit wollte man die bösen Geister vertreiben.

 

Viele der Iren wanderten irgendwann nach Amerika aus. Sie hatten diesen

Brauch mitgenommen, aber in Amerika wuchsen statt der Steckrüben

große runde Kürbisse. Die eigneten sich noch viel besser zum Aushöhlen

und Fratzen zu schnitzen.

Im Laufe der Zeit machte man einen Gruselkarneval daraus, man verklei-

dete sich schaurig und feierte möglichst lautstark.

Die Kinder zogen los und sammelten an den Haustüren und wenn sie nichts

bekamen dann spielten sie den Bewohnern einen Streich.

Die Kaufleute haben diesen Brauch auch bei uns eingeführt, denn damit

lassen sich gute Geschäfte machen.

Außerdem…………………“ erzählte Sir Henry weiter und merkte überhaupt

nicht, daß ihm keiner mehr zuhörte.

 

Die Pinguine hatten schon wieder damit begonnen aufgeregt durchein-

ander zu schnattern.

„Habt Ihr das gehört, das machen wir auch. Heute abend gehen wir los.

Und wir sammeln. Die Leute sollen uns Fische geben und einen Streich

spielen wir ihnen trotzdem noch.“

 

Und sie hüpften voller Vorfreude umeinander.

 

Abends zogen sie los, wie immer lautstark durcheinander redend.

Sie hatten sich alle als Batman verkleidet und vorsichtshalber hatte

jeder mehrere Taschen dabei.

Die Mutter ging ein Stück hinterher. Sie wollte dieses Theater nicht

mitmachen, aber von weitem auf die Kleinen aufpassen.

 

Die Pinguine fügten sich schnell in die Gemeinschaft der Feiernden ein.

Sie trieben den ganzen Abend lautstarken Schabernack und ärgerten

alle Leute, obwohl ihnen fast alle etwas in die Taschen steckten.

 

Spät am Abend bestimmte Blauauge, daß es nun genug sei.

„Wie ? Schon? Ich bin noch gar nicht müde!“

„Ich auch nicht.“

„Und ich erst recht nicht!“

 

„Schluß,“ bestimmte Blauauge, genug gesammelt. Jetzt ab nach Hause und

schlafen.“

 

Brummelnd gehorchten sie und flüsterten sich untereinander zu, daß

sie noch gar nicht müde seien, noch stundenlang weiter machen könn-

ten und wie vielen Leuten sie noch gar keinen Streich gespielt hätten.

 

Aber sie waren so erledigt, daß sie einschliefen, sobald sie wieder auf

ihrer Fensterbank saßen.

 

Am nächsten Morgen schliefen sie dann auch glatt bist 7.00 Uhr.

 

Einmal wieder munter, machten sie sich daran, ihre Beute vom Vorabend

in Augenschein zu nehmen.

Sie schnappten sich ihre Taschen und kippten den Inhalt auf eine großen

Haufen.

 

Erst voller Entsetzen, dann ratlos, starrten sie sich gegenseitig an.

„Was ist das denn?

Das ist ja alles Süßkram. Wir wollten doch Fisch!“

 

Dann schimpften sie wie die Rohrspatzen auf die Leute, die ihnen ver-

meintlich so einen üblen Streich gespielt hatten.

 

„Nanana,“ sagte die Mutter, „das ist doch nicht so schlimm.“

 

„Nicht schlimm?“ heulte der Kleine mit dem Glitzerfell „Was soll ich denn

mit Honig? Ich hasse Honig!“

 

„Honig?“ Hermann der Polarbär, der die ganze Zeit interessiert aus dem

Fenster geguckt hatte. „Hast Du Honig gesagt? Wenn Du genug Honig

hast, tausche ich gegen meinen Lachs.“

 

„Das ist bestimmt genug,“ schnüffelte der Kleine. „Du kannst alles haben.“

 

„Na seht Ihr,“ sagte die Mutter, „Ihr könnt alle Süßigkeiten gegen Fisch

eintauschen, zur Not auch bei den Menschen.“

 

 

Damit war die ganze Aufregung sofort vergessen.

 

 

Am Abend wurden die Kleinen erwischt, als sie in ihr Batman-Kostüm

steigen wollten.

 

„Was soll das denn?“ fragte Sir Henry.

 

„Wir gehen wieder zum „Halloween“ und sammeln noch mehr Süßes,

das wir gegen Fisch tauschen!“

„Und Garnelen.“

 

„Die Kostüme braucht Ihr gar nicht erst anzuziehen. Heute könnt Ihr

nicht gehen.“

 

„Wieso nicht?“

„Klar kann ich!“

 

„Nein, Halloween ist nur einmal im Jahr. Also könnt Ihr erst nächstes

Jahr wieder gehen. Ich sagte doch, das dieses Fest den Beginn der

dunklen Jahreszeit symbolisiert. Und die hat jetzt natürlich schon

angefangen.“

 

„Was, das kann doch wohl nicht wahr sein? Alles was Spaß macht ist nur

so kurz.“

 

„So ein Mist, ich hatte noch gar nicht alle geärgert.“

 

Und sie brummten alle vor sich hin.

 

„Jetzt mal langsam,“ sagte Blauauge,“ Ihr könnt ja im nächsten Jahr

wieder hingehen. Wenn man das jeden Tag macht wird es ja auch lang-

weilig.“

 

„Stimmt.“ meinte der Schüchterne.

 

Der Kaiser war nicht lange brummig. „Komm wir gehen und klappern mit der Wohnungstür, dann ärgert sich Angus.“

 

„Au ja.“

„Klasse.“

„Ja, ich schleiche mich von hinten ran und schubse ihm die Bärenfell-

mütze vom Kopf.“

 

„Und ich knall die Tür ganz laut zu.“

 

Und wieder zogen sie voller Tatendrang los.

 

 

November 2010